
Die Unternehmensbewertung in der ersten – meist von Business Angeln geleisteten – Finanzierungsrunde (Series A) gleicht meist dem Blick in die Glaskugel. Das Problem ist nur, dass dabei die Beteiligten in den allerseltensten Fällen das Gleiche sehen.
In dieser ersten Phase, in der es oft schon einen Proof of concept gibt, aber das Startup noch nicht seine Marktfähigkeit beweisen konnte, können beide Parteien eigentlich nur mehr oder weniger große Fehler machen:
Auf Seiten der Investoren:
- der Preis war zu hoch und entspricht nicht dem Wert, der sich nach Markteinführung ergibt
- die Exit-Strategie geht nicht wie gewünscht auf, man hat in ein schönes Startup investiert, es läuft mit passablen Renditen, aber es gibt weder einen Finanzinvestor (Renditechancen unzureichend,) noch einen strategischen Investor ( z.B. Konkurrenz ja, aber Marktanteil zu gering)
- worst case: das Startup wird nicht zum Fliegen gebracht und muss liquidiert werden oder gar Insolvenz anmelden
Auf Seiten der Gründer:
- die Investoren ziehen die Gründer über den Tisch und bewerten zu gering
- die Investoren machen später nur Ärger und missbrauchen ihre Mitspracherechte
Hier kommt dann die Sprache meist auf die „Chemie“ unter den Beteiligten. Bei einer Business Angel Finanzierung sollten beide Seiten darauf achten, dass sich Kapital UND Know How sinnvoll ergänzen. Das Risiko ist in keiner Phase so hoch wie in den Series A. Es macht also für beide Seiten nur Sinn, wenn der Business Angel den Gründern auch mit Netzwerk und Erfahrung aus seinem operativen Bereich zur Seite stehen kann. Oftmals verfügen technologisch innovative Gründer über wenig Marketing Know-How. Da speziell in Vertrieb und Marketing Erfahrung nicht ersetzbar sind, greift hier das zweiflügelige Business Angel Prinzip: neben dem Kapital, stellt der BA seine Berufserfahrung (möglichst in der Branche) und seine Kontakte zur Verfügung.
Somit überspringt das Startup die aufwendige Phase alles „von scratch an“ aufzubauen. Dadurch spart das Unternehmen – also Investor und Gründer – wichtige Zeit und Geld.
Der Business Angel wird versuchen das doppelte Investment abzusichern. Leider sind statistisch gesehen die erfolgreichen Exits bei Series A klar in der Minderheit. Die für die A-Phase zur Absicherung am besten geeigneten Parameter für beide Seiten wollen wir kurz erläutern:
LIQUIDATIONSVORRECHT
Es wird vereinbart, dass der Investor bei (Teil-)Verkauf des Unternehmens vorberechtigt ein Vielfaches der Einlage - 1-3 fache Summe der Investition -, zurückerhalten soll, erst danach kommen die Gründer. Die Liquidationspräferenz dient dem Investmentschutz, allerdings ist von Seiten der Gründer darauf zu achten, dass bei einem erfolgreichen trade sale die Liquidationspräferenz samt Beteiligungsquote des Investors die ursprüngliche Anteilsgröße des Investors nicht überschreitet.
MILESTONES
Investment wird in Tranchen vereinbart, die Gelder werden nach Erreichen vorher vereinbarter Milestones ausgezahlt (z.B. Kunden-, Umsatz-, Ebit- Ziele). Das Unternehmen wird dann jeweils zu den Milestones bewertet bzw. die Bewertung wurde vorher vereinbart.
Hierbei gibt es mehrere Varianten, die zwei geläufigsten skizzieren wir hier kurz:
- Zielbeteiligungsquote wird vereinbart. Die erste Tranche und erste Teil-Quote wird erworben mit der Option auf einen zweiten Anteil zur Erreichung der Zielbeteiligungsquote. Für diese zweite Tranche wird ein Milestone, den es zu erreichen gilt, vereinbart. Die vorher festgelegte Unternehmensbewertung bei Erreichen des Milestone ist höher als die erste. Wird der Milestone nicht erreicht, kann der Investor seine Zielbeteiligung zur alten Quote einlösen.
- Die Investitionssumme wird von vornherein von den Investoren ausgezahlt. Man vereinbart Milestones, zu denen bestimmte Ziele erreicht sein müssen. Werden diese unterschritten, erhalten die Investoren Anteile der Gründer abgetreten.
BONUS / MALUS REGELUNG
Beide Seiten können vereinbaren nach bestimmten Zeitabschnitten nochmals eine Anteilsverschiebung vorzunehmen und zwar dann, wenn bestimmte Annahmen über die Unternehmensentwicklung unter- oder überschritten wurden. Hier können sich dann z.B. die Gründer Anteile zurückholen, wenn die Investoren zu wenig gezahlt haben oder umgekehrt.
VERWÄSSERUNGSSCHUTZ / ANTIDILUTION-KLAUSEL
Diese soll den Investor davor schützen, in einer vorhergehenden Finanzierungsrunde einen höheren Preis gezahlt zu haben als die nachfolgenden Investoren. Dies kann durchaus bei schlechter Geschäftsentwicklung der Fall sein. Vereinbart wird, dass dem Investor das Recht zusteht, seine Anteile nachträglich zum gleichen niedrigen Preis zu erwerben. Dies lässt sich über Kapitalerhöhung oder durch Abtreten von Anteilen der Altgesellschafter erreichen.
All diese Parameter müssten es beide Seiten leichter fallenlassen sich mit gutem Gewissen auf den Partner einzulassen. Denn das soll der Investor zumindest als Business Angel auf jeden Fall sein, ein Partner. Vorteilhaft ist es, steht eine Vergleichsgruppe zur Verfügung (peergrouping), nach der sich das Unternehmen bewerten lässt. Neben den, für nicht betriebswirtschaftliche Gründer aufwendigen – Bewertungsmethoden (Ertragswert, DCF Discounted Cash Flow, VC-Methode) helfen die Multiples für eine erste Orientierung:
- Cap Sales Multiplikator ( Umsatz)
- EBIT Multiplikator (Gewinn)
Je nach Branchen differieren die Multiplikatoren allerdings erheblich.
Eine Übersicht der aktuellen Multiplikatoren der einzelnen Branchen in Deutschland findet sich jährlich in der Zeitschrift FINANCE. Hier geht’s zum FINANCE Expertpanel 2008.
Die heikelste Frage bleibt wohl die Bewertung von Internet Communities. So stand in der Presse zu lesen, dass P7S1 seinen Anteil an den Lokalisten für 20-30 Mio. € um 60% auf 90% aufgestockt hat. Bei 1,2 Mio registrierten Lokalisten hatte der einfache User einen Wert von 15-25€. Dies lässt sich jedoch nicht einfach auf kleinere Communities mit mehreren Tausend Nutzern umrechnen. Ganz im Gegenteil, hier gilt der Prime of the Leader, das Gesetz, dass der anteilige Preis um so höher wird, je größer der Marktanteil ist.