
"Die Kernschmelze des Kapitalismus", überschreibt die aktuelle FTD ihre Kolumne. Bei dieser Headline denkt man an eine Kolumne der taz oder einer Zeitung mit wirtschaftskritischem Hintergrund. Der lesenswerte Artikel entstammt der Feder von Wolfgang Münchau, Kolumnist bei der Financial Times Deutschland, (meinem Lieblingskolumnist im deutschen Blätterwald). Er arbeitet den Zusammenhang zwischen Finanz- und Atomkrise heraus und kommt zu dem Schluß, dass nicht nachhaltige Systeme zwangsläufig in die Katastrophe führen.
P(E) = 1 oder "Über kurz oder lang kracht' s"
Vielleicht müßte man noch ein "über kurz oder lang" dieser Crashthese hinzufügen. Der Zeitfaktor wird bezüglich der Atomenergie gerne als Restrisiko bezeichnet. Statistisch bedeutet Restrisiko aber nichts anderes, als dass die Wahrscheinlichkeit (P), dass die die Katastrophe (E) eintritt 100% ist.
P(E)=1
Die Frage ist nur: wann tritt das Ereignis (E) ein?
Auch finanzmathemtisch kann man berechnen, dass die Exponentialkurve, die sich aus unserem Kredit-Wirtschaftssystem ergibt, - einfacher ausgedrückt der Zinseszinseffekt - irgendwann in Höhen schießt, die nicht mehr über weitere Ausgabe von Staatsanleihen gedeckt werden können. Die Fed regelt das mit quantitative easing, - also Gelddrucken,- was - über kurz oder lang - auch uns droht.
Und wer kommt für den Schaden auf?
Schäden in dieser Höhe trägt keine Versicherung, die Verursacher haben dafür auch keine ausreichenden Rücklagen gebildet. "To big to fail", heißt das für die Banken. Atomkonzerne können ihre Schäden ebenfalls nicht wirklich absichern. Die deutschen Rückversicherer haben sich in der Deutschen Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft DKVG zusammengeschlossen und übernehmen Schäden, die aus Anlagen der vier in Deutschland aktiven Betreibergesellschaften E.On, ENBW, RWE und Vattenfall resultieren, bis zu 256 Mio. (nicht Mrd.!)Euro. Danach sind die Atomkonzerne in der Pflicht und müssen bis zu 2,5 Mrd. aus eigenem Vermögen aufbringen. Dann zahlt wiederum der Staat, also der Steuerzahler. Um diese Zahlen in eine aufschlussreiche Relation zu bringen, sind zwei weitere Zahlen erforderlich:.
- die Credit Swiss schätzt den Schaden durch das Erdbeben in Japan auf 170-180 Mrd. Dollar
- der Vorsteuergewinn von E.On betrug allein 2009 13,4 Mrd. €
Die Rückstellungen und die Risikovorsorge der deutschen Atomenergiebetreiber reichen vielleicht für einen Störfall der Kategorie 1 bis 3 aus. Andererseits entspricht die Risikovorsorge aller vier Atomkonzerne zusammen gerade einmal 1/5 des Jahresgewinns EINES einzelnen Atomkonzerns (E.On).
Das Verhältnis der Höhe des Systemschadens zu dem Anteil der Schadensübernahme durch die Verursacher und dessen Anteil wiederum an den Verursacher-Unternehmensgewinnen zeigt die Parallelen zwischen Atom- und Finanzwirtschaft. Von einem funktionierendem Wirtschaftssystem kann man hier nicht mehr sprechen, von sozialer Marktwirtschaft erst recht nicht und schon gar nicht von nachhaltigem Wirtschaften.
In den letzten 15-20 Jahren hat sich unser Wirtschaftssystem in eine Protektionswirtschaft gewandelt. Der Wettbewerbsgedanke wurde ad absurdum geführt. "To big to fail" und die Sozialisierung von Schäden darf es in einem nachhaltigen Wirtschaftssystem nicht geben. Über kurz oder lang führt dies auch zu einem politischen Störfall (E), unser demokratisches Gesellschaftssystem gerät ins Wanken oder gar außer Kontrolle.
Denn nicht nur die Physik, auch die Geschichte lehrt uns: Irgendwann kracht' s leider immer.
Oder anders ausgedrückt: P(E) = 1.