
Normalerweise ist die Finanzkrise nicht unser Thema. Was heißt eigentlich Finanzkrise? Hören wir nicht jeden Tag und lesen in der Presse vom Aufschwung? Wer schwingt eigentlich auf, schwingen Sie mit? Oder schwingt der Euro auf gegenüber dem Dollar, der ja inzwischen im Wege des quantitativ easing seine absolute Menge fast beliebig erhöht?
Aber Inflation haben wir keine, zumindest nicht in Deutschland. Sagt zumindest der Warenkorb. Oder kann man für Inflation auch die Zunahme der Geldmenge in Relation zur Zunahme der Wirtschaftskraft setzen? Wie bitte?
Alles nicht ganz einfach zu durchschauen. Aber halten wir fest: wenn der Dollar in inflationären Mengen gedruckt wird, wertet der Euro auf und der Dollar ab. So werden die Waren der USA wieder günstiger im Export und werden so wieder wettbewerbsfähig. Die Lohnstückkosten reduzieren sich quasi über eine Währungsabwertung durch inflationäres Gelddrucken. Aha.
Jetzt sind aber die Iren pleite, der 750 Mrd Euro Rettungsschirm muss einspringen und der Euro wertet wieder ab. Eigentlich klasse, oder? Wieso sind die Iren scheinbar pleite? Wem schulden sie was warum? In erster Linie sind die irischen Banken pleite, allen voran die Anglo Irish Bank. Irland bürgt inzwischen für seine Banken oder hat dieser verstaatlicht und deren Schuldenlast drückt nun den Staat. Daneben hat Irland selbst Staatsschulden bei den europäischen Banken in Höhe von 23 Mrd. Euro – nach Angaben der Banken. ( Nachzurechnen im „Großen Staatsschulden-Atlas“ der FTD) Das heißt vereinfacht, diese Banken leihen Irland Geld, z. B in Form von Staatsanleihen und diese werden dann mit Verzinsung zurückgezahlt. Die Inanspruchnahme des europäischen Rettungsschirms bedeutet nichts anderes, als dass die Gläubiger, in erster Linie die Banken, eine Garantie erhalten, dass ihr an Irland verliehenes Geld samt Zinsen ohne Verzögerung zurückgezahlt wird. Ebenso wird für die Spekulationsgeschäfte der Banken in Irland gebürgt. Nur eben diesmal nicht allein durch den irischen Staat, sondern mit Hilfe der europäischen Steuerzahler. Insgesamt werden die Hilfen für Irland, je nach Zählweise, auf 80-120 Mrd. € geschätzt. Einfach irre oder?
Gut, wir müssen eben unsere Banken retten, daran hängt ja unsere Wirtschaft und somit auch unser Aufschwung. Das wird nicht und niemals in Frage gestellt, das ist die conditio sine qua non. Basta!
Wir haben es ja auch oft genug von Experten gehört: To big to fail. Sorry. Aber eben noch haben doch die Banken im sogenannten Stresstest sich selbst bewiesen, dass keine weitere Pleitegefahr besteht. Drei Monate später fordern sie wieder den Rettungsschirm für Irland, damit sie nicht in den Sog geraten. Irren ist menschlich, aber was stimmt denn nun, fragt man sich. So fordert auch die Financial Times in einem Leitartikel „Schluss mit den Nebelbomben der Banken“!Zumindest sollte man doch erst mal in Ruhe die Ursachen für die Irlandkrise ausmachen und die Hauptschuldigen zur Verantwortung ziehen, oder? Und da fängt die Katze an sich in den Schwanz zu beißen. Können Sie sich noch an Zweckgesellschaften erinnern? Z. B die Hypo Real Estate mit ihrer milliardenverschlingenden Zweckgesellschaft. Wo hatte die eigentlich ihren Sitz? In Irland!
So klagt heute auch Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut, dass es nicht sein kann, „dass eben jene Banken die sich mit milliardenschweren Zweckgesellschaften in Irland verzockt hätten, jetzt mit Hilfe des Steuerzahlers von ihren Risiken befreit würden.“
Nach Sinn hat sich Irland in den letzen Jahren auch als Steueroase der Finanzindustrie angedient. So flossen die Gelder europäischer Banken in spekulative Geschäfte nach Irland und nicht in den Mittelstand. Irland wurde zum europäischen Boomland, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist in Irland, nach Angaben von Sinn, um 20% höher als in Deutschland.
Wieso also überhaupt den Rettungsschirm aufspannen, gegen den sich bis zuletzt die irische Regierung so stark gewehrt hat? Damit als nächstes die portugiesischen Staatanleihen von den anderen europäischen Staaten/Steuerzahlern bedient werden, danach die spanischen und dann die italienischen? Cui bono? Dann dürfte 2013 der 750 Mrd. € Rettungsschirm final aufgebraucht sein. Die Gläubiger sollen ja auch erst danach mit in die Haftung für ihre eigenen Anlagen genommen werden. Den Mut dies zu fordern hat zur Zeit auch nur unsere Kanzlerin und das muss man ihr hoch anrechnen. Denn hier liegt der Kern der Krise. Wenn die Politik hier nicht mehr Mut zeigt, wird ein Land nach dem anderen fallen, bis die 750 Mrd. aufgebraucht sind. Um diese Summe zu refinanzieren, müsste dann wohl auch die europäische Zentralbank zum Mittel des quantitative easing greifen, volkstümlich nennt man das „die Gelddruckmaschinen anwerfen“. Aber das wäre ja prima, denn dann würde der Euro wieder abwerten und im Währungskrieg zum US Dollar ausgleichen. Im Aufschwung können dann die riesigen Geldmengen mehr oder weniger schnell wieder in den Wirtschaftskreislauf eingegliedert werden, die Inflation steigt und die zur Bewältigung der Krise aufgebrachten Staatsschulden verlieren an Wert. Bingo! Dann muss eventuell die Steuerschraube doch nicht so stark angezogen werden. Der Bürger freut sich? Das Dumme ist nur, dass das Geldvermögen dann auch seinen Wert verliert. Nach einer Studie der Allianz / Dresdner besitzen allein die Deutschen Haushalte 2007 Geldvermögen in Höhe von 4,76 Billionen Euro. Zu diesem Vermögen zählen Spareinlagen, Aktien, Wertpapiere, Investmentfonds sowie Ansprüche an Versicherungen und Pensionsfonds. Die deutsche Staatsschuldenuhr wird zu Silvester 2010 bei ca. 1,8 Billionen € stehen. Der Anteil am Rettungsschirm ist hier noch nicht eingerechnet, denn man vertraut darauf dass Irland irgendwann zurückzahlt. Positiv bleiben! Auf Basis der privaten Geldvermögen ist demnach noch viel Luft bis die Staatsschuld-Schmerzgrenze erreicht wird.
Alles hypothetisch, klar. In Zeiten, in denen Schlagworte wie Finanzkrise, Aufschwung, Währungskrieg, Deflation und Inflation sich in immer kürzeren Abständen als Schlagzeilen der Nachrichten abwechseln, muss man befürchten, dass wohl weder Politiker noch Finanzindustrie das Räderwerk noch fest im Griff haben. Bevor uns alles um die Ohren fliegt, sollte man jedes Rädchen das beginnt sich zu schnell zu drehen, anhalten, die Ursachen in Ruhe feststellen und erst dann wieder in den Kreislauf eingliedern. Die Krise muss jetzt schneller realisiert und nicht immer mehr aufgeschoben werden. Sonst baut sich ein Tsunami auf, gegen den auch die fleißigsten und sparwilligsten Bürger nicht ankommen werden. Klar, die Zukunft ist reine Theorie. Aber was für ein Irrsinn wird uns da seit Jahren zugemutet. Und am Ende fragt man sich nicht nur wohin das führt, sondern auch : Cui bono?
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